“Spielst Du den ganzen Abend nur sowas?”
Ich drehe mich um und sehe in das stark-geschminkte Gesicht einer jungen Frau. Und obwohl ich bereits an diesem Punkt schon ganz genau weiß, welcherlei Art der bevorstehende Gesprächsversuch sein wird, tu ich einen Augenblick so, als hätte ich sie akustisch nicht verstanden.
“Bitte?”
“Ob du den ganzen Abend nur sowas spielst…”
Und obwohl ich wie bereits gesagt genau weiß, was sie will, frage ich bemüht-höflich: “Was meinst du denn mit ‘sowas’?”
Sie nippt am Strohhalm, der in einem Glas mit Vodka-Redbull steckt und der unangenehm-süßliche Geruch des alkoholischen Mischgetränks verschlägt die letzten Grenzen der Sympathie um ein entscheidendes Maß auf die Minusachse.
“Na oder auch mal was Schnelleres?”
Sie greift den Gurt ihrer preiswerten weißen Kunstlederimitat-Handtasche mit der Kronenschnalle unter ihrem Arm und richtet sie neu aus wie ein russischer Grenzer seine Kalaschnikov.
“Was meinst du denn mit ‘was Schnelleres’?”
“Na schneller halt.”
Ihr mondförmiges Gesicht schwebt vor mir wie ein fernes Gestirn; eine kraterhafte Wüstenlandschaft aus Abdeckpuder, inmitten eines gewaltigen interstellaren Vakuums aus Nichts.
Ich heuchle erneut Unwissenheit und hoffe dabei, daß sie durch mein wiederholtes Nachfragen die inhaltliche Leere ihrer Bittstellung von selbst begreift.
“Na irgendwas mit mehr Beats so.”
Sie begreift offenbar nicht.
Den Rest des Gespräches werde ich Ihnen an dieser Stelle einfach ersparen…
Was ist nur aus dem guten alten Idealbild des Berufs-Diskjockeys geworden? Ich meine – in meiner Jugend und frühen Adoleszenz waren DJs gottähnliche Übermenschen, schier unantastbar in Coolness und Geschmack. Das Können, Musik von Schallplatten in ein tanzbares Ganzes umzusetzen erschien mir als eine ganz und gar außerirdische Fähigkeit – eben nichts, was man mal eben irgendwo im Gemeindezentrum oder im Abendkurs an der Volkshochschule hätte lernen können. Das waren richtig coole Säue, das war Underground, das war der pure Sex! Die einzigen Wunschäußerungen, die ein Schallplattenunterhalter zu meiner Zeit bekam, waren in Form von Telefonnummern auf Thekenzetteln, inklusive des sorgfältig ausgeführten Angebots der weitergehenden Abendgestaltung.
Ja – und heute? Heute klemmt sich einfach jeder Idiot seinen Laptop unter den Arm, trägt lustige T-Shirts mit abgewandelt-albernen Variationen seines Vornamens und übt sich in gespielter Konzentration, während die Freeware-DJ-Software die Mp3s ineinandermischt. Toll.
Aber auch das Verhalten des klassischen Partygastes scheint sich verändert zu haben: das Nachtleben war früher nicht zwangsläufig Mittel zum Zweck, denn den Spaß hatte man ja sowieso. Heute scheint man größtenteils der Überzeugung zu sein, bespaßt werden zu müssen, sobald man irgendwo hingeht – schließlich hat man ja 5 Euro Eintritt gezahlt und dafür kann man ja dann auch eine Dienstleistung erwarten.
Und genauso ausgelassen feiert man dann auch miteinander: links hopsen zwei sehr jung aussehende Jung-Homosexuelle die Tanzschritte aus dem letzten Britney-Spears-Video nach, rechts reißt der oberfränkische Tourist in Poloshirt und Sonnenbrille die schweißigen Arme nach oben und schreit “Jawoll!” als die Discoboys laufen, und über allem schwebt omnipräsent und völlig unausweichlich der schmerzhaft-schlechtkomprimierte Musikgeschmack von DJ-BassTChrisBeatSchlagmichtot.
Selten gibt es Momente in meinem Leben, in denen ich mich älter fühle, als in solchen.
Und spätestens nach der dritten Michael-Jackson-Houseversion steht man dann da, senkt das Haupt in Scham und trägt im Geiste – neben seiner Jugend – den Berufsstand des Diskjockeys zu Grabe.
I loved the nightlife…
“Spielst Du den ganzen Abend nur sowas?”
Ich drehe mich um und sehe in das stark-geschminkte Gesicht einer jungen Frau. Und obwohl ich bereits an diesem Punkt schon ganz genau weiß, welcherlei Art der bevorstehende Gesprächsversuch sein wird, tu ich einen Augenblick so, als hätte ich sie akustisch nicht verstanden.
“Bitte?”
“Ob du den ganzen Abend nur sowas spielst…”
Und obwohl ich wie bereits gesagt genau weiß, was sie will, frage ich bemüht-höflich: “Was meinst du denn mit ‘sowas’?”
Sie nippt am Strohhalm, der in einem Glas mit Vodka-Redbull steckt und der unangenehm-süßliche Geruch des alkoholischen Mischgetränks verschlägt die letzten Grenzen der Sympathie um ein entscheidendes Maß auf die Minusachse.
“Na oder auch mal was Schnelleres?”
Sie greift den Gurt ihrer preiswerten weißen Kunstlederimitat-Handtasche mit der Kronenschnalle unter ihrem Arm und richtet sie neu aus wie ein russischer Grenzer seine Kalaschnikov.
“Was meinst du denn mit ‘was Schnelleres’?”
“Na schneller halt.”
Ihr mondförmiges Gesicht schwebt vor mir wie ein fernes Gestirn; eine kraterhafte Wüstenlandschaft aus Abdeckpuder, inmitten eines gewaltigen interstellaren Vakuums aus Nichts.
Ich heuchle erneut Unwissenheit und hoffe dabei, daß sie durch mein wiederholtes Nachfragen die inhaltliche Leere ihrer Bittstellung von selbst begreift.
“Na irgendwas mit mehr Beats so.”
Sie begreift offenbar nicht.
Den Rest des Gespräches werde ich Ihnen an dieser Stelle einfach ersparen…
Was ist nur aus dem guten alten Idealbild des Berufs-Diskjockeys geworden? Ich meine – in meiner Jugend und frühen Adoleszenz waren DJs gottähnliche Übermenschen, schier unantastbar in Coolness und Geschmack. Das Können, Musik von Schallplatten in ein tanzbares Ganzes umzusetzen erschien mir als eine ganz und gar außerirdische Fähigkeit – eben nichts, was man mal eben irgendwo im Gemeindezentrum oder im Abendkurs an der Volkshochschule hätte lernen können. Das waren richtig coole Säue, das war Underground, das war der pure Sex! Die einzigen Wunschäußerungen, die ein Schallplattenunterhalter zu meiner Zeit bekam, waren in Form von Telefonnummern auf Thekenzetteln, inklusive des sorgfältig ausgeführten Angebots der weitergehenden Abendgestaltung.
Ja – und heute? Heute klemmt sich einfach jeder Idiot seinen Laptop unter den Arm, trägt lustige T-Shirts mit abgewandelt-albernen Variationen seines Vornamens und übt sich in gespielter Konzentration, während die Freeware-DJ-Software die Mp3s ineinandermischt. Toll.
Aber auch das Verhalten des klassischen Partygastes scheint sich verändert zu haben: das Nachtleben war früher nicht zwangsläufig Mittel zum Zweck, denn den Spaß hatte man ja sowieso. Heute scheint man größtenteils der Überzeugung zu sein, bespaßt werden zu müssen, sobald man irgendwo hingeht – schließlich hat man ja 5 Euro Eintritt gezahlt und dafür kann man ja dann auch eine Dienstleistung erwarten.
Und genauso ausgelassen feiert man dann auch miteinander: links hopsen zwei sehr jung aussehende Jung-Homosexuelle die Tanzschritte aus dem letzten Britney-Spears-Video nach, rechts reißt der oberfränkische Tourist in Poloshirt und Sonnenbrille die schweißigen Arme nach oben und schreit “Jawoll!” als die Discoboys laufen, und über allem schwebt omnipräsent und völlig unausweichlich der schmerzhaft-schlechtkomprimierte Musikgeschmack von DJ-BassTChrisBeatSchlagmichtot.
Selten gibt es Momente in meinem Leben, in denen ich mich älter fühle, als in solchen.
Und spätestens nach der dritten Michael-Jackson-Houseversion steht man dann da, senkt das Haupt in Scham und trägt im Geiste – neben seiner Jugend – den Berufsstand des Diskjockeys zu Grabe.
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