“Menschen sind eben verschieden”.
Diese unglaublich clever pointierte Lebensweisheit gehört zu den ewigen Favoriten seit Entdeckung der Aphorismen. Und das sicherlich nicht ohne Grund – der Homo sapiens ist ja schließlich schon ein ganz buntes Völkchen: Es gibt Dicke und Dünne, Frauen und Männer (in einigen Fällen sogar noch etwas dazwischen), Linkshänder und Rechtshänder. Es sind eben all diese kleinen Unterschiede, die uns zu dem machen, was wir sind und keinem sollte innerhalb unseres sozialen Gefüges je ein Nachteil daraus entstehen.
‘Friede-Freude-Eierkuchen’ – so sollte man meinen: gäbe es da nicht auch noch die Frühaufsteher und die Langschläfer, sogenannte ‘Lerchen’ und ‘Eulen’. Bei diesem Beispiel nimmt man es mit der gesellschaftlichen Toleranz nicht ganz so genau, was sich natürlich zum deutlichen Nachteil für die ‘Eulen’ herausstellt. Aber Deutschlands Stempeluhren kennen nun mal kein Erbarmen und rufen ausnahmslos jeden – ob dick, dünn, breit oder doof – zum Morgenappell. Unter diesem Psychoterror diskriminierendster Ungehörigkeit haben tagtäglich ca. 41 Mio. Bundesbürger zu leiden (Quelle: unüberlegt-hypothetische Mutmaßung des Autors).
Mal ehrlich – was gibt es Schlimmeres als früh aufstehen zu müssen? Noch früher aufstehen zu müssen? Ein schwacher Trost. Und wer um alles in der Welt ist froh darüber, an einem Februarmorgen in aller Herrgottsfrühe die wohlige Wärme des Schlafzimmers gegen die gewachste Sterilität des Arbeitsplatzes eintauschen zu müssen? Sehen Sie! Aber all das Zetern hilft nichts, denn – um es mit einem weiteren Aphorismus zu sagen – “‘s muss ja.”
So schleppt man sich mit schwerem Herzen und noch schwereren Augenlidern durch einen eisigen Spätwintermorgen, der sogar selbst den Anschein macht, irgendwie auch keine Lust zu haben. Und dann sitzt man in der U-Bahn, umgeben von müden Menschen, von denen mal ausnahmsweise keiner ein Wort sagt. Alle sitzen mit geschlossenen Augen und strecken die fahlen Gesichter in die vorbeiratternde Dunkelheit des Untergrunds, in der Hoffnung auf ein Quentchen zusätzliche Nacht. Die Ruhe vor dem Sturm, die letzten wertvollen Sekunden regenerativer Introvertiertheit bevor der Wahnsinn des Alltags über einem ausbricht wie der Vesuv über Pompeji. Diese Momente sind natürlich, ganz gemäß der Einsteinschen Relativität der Zeit, viel zu schnell vorüber und dann geht’s ab ins Büro, in den Laden, in die Fabrik; wohin auch immer es geht – es tut weh.
Dort angekommen erreicht die seelische Demütigung ihren Höhepunkt, wenn einem mit übergrellem Neonlicht auch noch das letzte bisschen Würde genommen wird. Und hängt die Müdigkeit zwar immer noch wie Blei auf dem Gemüt, so steigt die Aggressivität exponentiell ins Unermessliche, wenn der notorisch gutgelaunte Arbeitskollege lautstark seine ausgeschlafene Don’t-worry-be-happy-Attitüde über den Kantinentisch spuckt.
“Freu dich doch, so hast du nachher noch was vom Tag!”
In diesem Moment möchte man aufstehen, die Kaffeetasse an der Tischkante zerschlagen und mit den Scherben diesem besserwisserischen Idioten das Grinsen eigenhändig aus dem Gesicht schneiden. Letzten Endes macht man es dann aber doch nicht, schließlich ist man dazu viel zu müde. Sein Glück.
So beginnt, ob man will oder nicht, ein weiterer Tag im Namen des wirtschaftlichen Aufschwungs.
Ein Tag so endlos öde und lang wie ein Vierteljahrtausend im Hadaikum. Und erst wenn sich auf der Oberfläche dieser endlosen Unerträglichkeit irgendwann die ersten Bakterienstämme gebildet haben und die Wirklichkeit beginnt, surreale Züge anzunehmen, wird man unter Umständen gnädigerweise vom Feierabend erlöst und darf nach Hause gehen. Und weil man ja noch so toll viel vom Tag hat, setzt man zuhause einen Kaffee auf, fällt umgehend gleich ins Bett und schafft – wenn man einer von den ganz Harten ist – noch 15 Minuten von “Verdachtsfälle”. Wenn nicht, schläft man sofort ein, vergisst somit die eingeschaltete Kaffeemaschine und erwacht erst dann, wenn das gesamte Hab und Gut aufgrund eines Kurzschlusses derselbigen in Flammen steht.
Also, liebe Frühaufsteher: ich hoffe Euch ist klar, welcher Gefahr wir Nachtmenschen uns tagtäglich aussetzen, nur um eurem Standard zu genügen! Nehmt deshalb in Zukunft gefälligst ein bisschen mehr Rücksicht auf solche, deren Biorhythmus einen anderen Takt schlägt: die Definition des Begriffes “Nachtruhe” liegt schließlich immer noch im Auge des Betrachters.
Sei es nun 5:00 Uhr oder 14:00 Uhr – unter Berücksichtigung der Unumstößlichkeit all dieser Fakten komme ich zu folgendem Schluss: “Ein Tag kann nur dann funktionieren, wenn ICH bestimme, wann er anfängt!”
Text Herr von Keil
Illustration Tim Brackmann
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Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf – den anderen nicht.
“Menschen sind eben verschieden”.
Diese unglaublich clever pointierte Lebensweisheit gehört zu den ewigen Favoriten seit Entdeckung der Aphorismen. Und das sicherlich nicht ohne Grund – der Homo sapiens ist ja schließlich schon ein ganz buntes Völkchen: Es gibt Dicke und Dünne, Frauen und Männer (in einigen Fällen sogar noch etwas dazwischen), Linkshänder und Rechtshänder. Es sind eben all diese kleinen Unterschiede, die uns zu dem machen, was wir sind und keinem sollte innerhalb unseres sozialen Gefüges je ein Nachteil daraus entstehen.
‘Friede-Freude-Eierkuchen’ – so sollte man meinen: gäbe es da nicht auch noch die Frühaufsteher und die Langschläfer, sogenannte ‘Lerchen’ und ‘Eulen’. Bei diesem Beispiel nimmt man es mit der gesellschaftlichen Toleranz nicht ganz so genau, was sich natürlich zum deutlichen Nachteil für die ‘Eulen’ herausstellt. Aber Deutschlands Stempeluhren kennen nun mal kein Erbarmen und rufen ausnahmslos jeden – ob dick, dünn, breit oder doof – zum Morgenappell. Unter diesem Psychoterror diskriminierendster Ungehörigkeit haben tagtäglich ca. 41 Mio. Bundesbürger zu leiden (Quelle: unüberlegt-hypothetische Mutmaßung des Autors).
Mal ehrlich – was gibt es Schlimmeres als früh aufstehen zu müssen? Noch früher aufstehen zu müssen? Ein schwacher Trost. Und wer um alles in der Welt ist froh darüber, an einem Februarmorgen in aller Herrgottsfrühe die wohlige Wärme des Schlafzimmers gegen die gewachste Sterilität des Arbeitsplatzes eintauschen zu müssen? Sehen Sie! Aber all das Zetern hilft nichts, denn – um es mit einem weiteren Aphorismus zu sagen – “‘s muss ja.”
So schleppt man sich mit schwerem Herzen und noch schwereren Augenlidern durch einen eisigen Spätwintermorgen, der sogar selbst den Anschein macht, irgendwie auch keine Lust zu haben. Und dann sitzt man in der U-Bahn, umgeben von müden Menschen, von denen mal ausnahmsweise keiner ein Wort sagt. Alle sitzen mit geschlossenen Augen und strecken die fahlen Gesichter in die vorbeiratternde Dunkelheit des Untergrunds, in der Hoffnung auf ein Quentchen zusätzliche Nacht. Die Ruhe vor dem Sturm, die letzten wertvollen Sekunden regenerativer Introvertiertheit bevor der Wahnsinn des Alltags über einem ausbricht wie der Vesuv über Pompeji. Diese Momente sind natürlich, ganz gemäß der Einsteinschen Relativität der Zeit, viel zu schnell vorüber und dann geht’s ab ins Büro, in den Laden, in die Fabrik; wohin auch immer es geht – es tut weh.
Dort angekommen erreicht die seelische Demütigung ihren Höhepunkt, wenn einem mit übergrellem Neonlicht auch noch das letzte bisschen Würde genommen wird. Und hängt die Müdigkeit zwar immer noch wie Blei auf dem Gemüt, so steigt die Aggressivität exponentiell ins Unermessliche, wenn der notorisch gutgelaunte Arbeitskollege lautstark seine ausgeschlafene Don’t-worry-be-happy-Attitüde über den Kantinentisch spuckt.
“Freu dich doch, so hast du nachher noch was vom Tag!”
In diesem Moment möchte man aufstehen, die Kaffeetasse an der Tischkante zerschlagen und mit den Scherben diesem besserwisserischen Idioten das Grinsen eigenhändig aus dem Gesicht schneiden. Letzten Endes macht man es dann aber doch nicht, schließlich ist man dazu viel zu müde. Sein Glück.
So beginnt, ob man will oder nicht, ein weiterer Tag im Namen des wirtschaftlichen Aufschwungs.
Ein Tag so endlos öde und lang wie ein Vierteljahrtausend im Hadaikum. Und erst wenn sich auf der Oberfläche dieser endlosen Unerträglichkeit irgendwann die ersten Bakterienstämme gebildet haben und die Wirklichkeit beginnt, surreale Züge anzunehmen, wird man unter Umständen gnädigerweise vom Feierabend erlöst und darf nach Hause gehen. Und weil man ja noch so toll viel vom Tag hat, setzt man zuhause einen Kaffee auf, fällt umgehend gleich ins Bett und schafft – wenn man einer von den ganz Harten ist – noch 15 Minuten von “Verdachtsfälle”. Wenn nicht, schläft man sofort ein, vergisst somit die eingeschaltete Kaffeemaschine und erwacht erst dann, wenn das gesamte Hab und Gut aufgrund eines Kurzschlusses derselbigen in Flammen steht.
Also, liebe Frühaufsteher: ich hoffe Euch ist klar, welcher Gefahr wir Nachtmenschen uns tagtäglich aussetzen, nur um eurem Standard zu genügen! Nehmt deshalb in Zukunft gefälligst ein bisschen mehr Rücksicht auf solche, deren Biorhythmus einen anderen Takt schlägt: die Definition des Begriffes “Nachtruhe” liegt schließlich immer noch im Auge des Betrachters.
Sei es nun 5:00 Uhr oder 14:00 Uhr – unter Berücksichtigung der Unumstößlichkeit all dieser Fakten komme ich zu folgendem Schluss: “Ein Tag kann nur dann funktionieren, wenn ICH bestimme, wann er anfängt!”
Text Herr von Keil
Illustration Tim Brackmann