Versucht man sich die Stimmung hinter dem eisernen Vorhang der Ukraine in den siebziger Jahren vorzustellen, fallen einem sicher nicht als erstes Kunst und Revolution ein. Und doch hat es der ukrainische Architekt Sergei Sviatchenko in dieser Zeit geschafft, zum Vorreiter der modernen Collage zu werden. Seine Inspirationsquellen bezog er aus den Strömungen, die von Westen her durch den Vorhang hindurchblitzten. So verhalfen ihm unter anderem die Pop-art und musikalischen Durchbrüche wie die Rockmusik zu Werken, die ihn letztendlich zu einem der einflussreichsten Künstler der ehemaligen UdSSR machten. Heute lebt und arbeitet der Künstler in Dänemark. Die persönlichen Erfahrungen aus der Zeit, die verbildlicht in dem Fotoarchiv des Künstlers lagern, sowie sein Drang aus gegebenen Motiven Neues, Unerwartetes, Abstraktes zu erschaffen, bilden die Grundlage der Collagen von 2004-2012 und die Inspiration für seine Malereien von 2006- 2012.  Die Collagen, sowie die Malereien des Künstlers befinden sich in den zwei Bänden der brandneuen Sammlung Everything Goes Right & Left If You Want des Gestalten Verlages.


Bei der Betrachtung der umfassenden Collagen-Sammlung des Künstlers Sviatchenko  öffnete sich bei mir eine Assoziationskette, die mich gedanklich nach Florida führte. Sviatchenkos Bildkompilationen wecken Eindrücke wie Palmen, Strand, Eiskreme und den pastelligen Flair des Amerika’s der 1950er. Oberflächlich sind auf allen Bildern Kombinationen alter Fotographien auf poppig gefärbten Hintergründen zu sehen, die sich zu abstrakten Arrangements zusammenfinden. Schaut man dann genauer hin, fällt auf, dass sich die Bilder zu konkreten Aussagen zusammengefunden haben. Laut Pressetext möchte sich Sviatchenko mit seinen Collagen aus “unserer Welt visueller Reizüberflutung abheben” und klare Visionen portraitieren. Ich würde das gerne ergänzen und zwar finde ich, dass in dem er naturalistische Eindrücke mit abstrakten Motiven mischt, nicht nur Raum für Neues gemacht wird, sondern er es schafft, unglaublich viele neue Interpretationsmöglichkeiten für den Betrachter zu kreieren. So macht er Kunst, die jeden einzelnen ganz individuell berühren kann und soll.

Im Gegensatz zum babyrosa des Collagen-Bandes, hüllt sich der zweite Band der Sammlung in knalliges Gelb. Hier wird der Betrachter hineingezogen in eine Welt voller abstrakter Farben. Wir befinden uns in Sviatchenkos zweiten kreativen Spielplatz: Der Malerei. Lagen über Lagen von Farbe, manchmal bis zu 25 Schichten dick, lassen auf der Leinwand imaginäre Landschaften entstehen, die den Erinnerungen des Künstlers entspringen und den dichten, dunklen Wälder seiner alten Heimat Tribut zollen. Andere Bilder dagegen sind so abstrakt, dass nicht das Erkennen eines Motivs im Vordergrund steht, sondern nur das Gefühl und der Eindruck des jeweils Betrachtenden. Sviatchenko selbst sagt, dass er mit seiner Malerei versucht Bilder zu kreieren, die hauptsächlich über ihre Kompositionen, Farben und emotionalen Messages funktionieren und so auf allen Ebenen wirken sollen. Dies gelingt ihm gut und so lassen seine Bilder, ähnlich wie seine Collagen, bei jedem einzelnen verschiedene Emotionen entstehen und können folglich auch nach persönlichem Gefühl gedeutet werden.

 

Sergei Sviatchenko hat mit einem breiten Spektrum von Themen und Medien gearbeitet. Er experimentiert und stellt sich Herausforderungen in Bereichen in die sich andere Künstler nicht hereintrauen. Sviatchenko Collagen und Gemälde wurden schon auf der ganzen Welt ausgestellt und werden in berühmten Magazinen wie dem Dazed & Confused, Kilimanjaro, Varoom und Elefant gezeigt.

Sergei Sviatchenko’s neue Kunstsammlung ist im Gestalten Verlag erschienen

 

 

//Stella Kennedy

Bilder: gestalten Verlag