Der 28-jährige Designer Timm Süssbrich von Barré Noire sprach mit uns über die Qual seiner Ausbildung, wie man Hässlichkeit in Schönheit transformieren kann und wie man heute mit Trends umgeht.
MC: Hallo Timm, stell‘ dich doch mal kurz vor!
BN: Hallo ich bin Timm Süssbrich, ich bin 28 Jahre alt und stehe auf Blau (lacht), ich arbeite gerade an meiner Siebten Kollektion, die ich auch auf der Berliner Fashion Week präsentieren werde. Ich bin gebürtig aus Berlin und habe auch an der ESMOD Berlin Modedesgin studiert.
MC: Da muss ich doch gleich mal einhaken. Ich habe da mal so eine kleine Anekdote gehört, bezüglich deines Studiums. So etwas in der Richtung, du solltest du lieber kein Designer sein, sondern eher in einer Pommes-Bude arbeiten. Was hatte es denn damit auf sich?
BN: Ich habe ja an der ESMOD Modedesigner studiert und ich denke, dass ich einfach noch ziemlich jung war. Ich bin ein sehr direkter und offener Typ – manche Menschen kommen damit eher schwer zurecht. Ich denke, dass das auch bei meinen Dozenten der Fall war, sie haben sich immer sehr von mir angegriffen gefühlt, was ich eigentlich nicht beabsichtigt habe. Ja und plötzlich war ich Jahrgangs-Schlechtester und einem meiner Dozenten ist dann rausgerutscht, ich solle doch eher das Design an den Nagel hängen und lieber in einer Frittenbude arbeiten.
Vor einigen Wochen habe ich meine alte Hochschule dann einmal wieder besucht und habe am schwarzen Brett riesiger Bilder meiner letzten Show gesehen. Ich hing quasi an der Ehrenwand der Absolventen. Da habe ich als “Jahrgangsschlechtester” bei dem sogar der Name auf dem Diplom falsch geschrieben war, schon etwas geschluckt. Jetzt denke, egal, ihr könnt mich echt alle mal, ich bin nicht nachtragend.
MC: Das ist echt super interessant, plötzlich will man dich dann wieder kennen. Warum hast du nach so einem Studium nicht gesagt, bitte nehmt doch meine Bilder ab?
BN: Wäre die entsprechenden Personen in der Nähe gewesen gewesen, hätte ich das auch gemacht, ich war schon ganz schön sauer.
MC: Man kann sich das gar nicht vorstellen. Es wird doch an Hochschulen auch nach messbaren Werten unterschieden, es ist doch nicht alles nur subjektiv und Kunst?
BN: Ja das stimmt schon, aber Fächer wie Bekleidungstechnik und Schnitttechnik sind in diesem Studiengang eher ein sehr kleiner Teil. Es kommt eher darauf an, dass man Designthemen findet, die den Dozenten gefallen, fällt man dabei aus der Reihe, ist man leider das schwarze Schaf der kompletten Gruppe.
MC: Was war denn dein Abschluss-Thema?
BN: Mein Thema war : “Das junge Mädchen und der Tod!”
MC: (lacht) Ich würde sagen, du setzt dich sehr mit der Teenagerzeit auseinander. Makaber, aber überaus interessant. Ich hätte gerne deine Moods gesehen. Für mich kommt da meine eigene Tennie-Zeit hochgeblubbert, hermetische Lyrik und meine abrasierten Haare.
BN: Ja ich weiß, dass klingt im ersten Moment ziemlich krass, die Dozenten haben bestimmt auch alle gedacht, ich habe ‘ne Macke, aber ich hatte wirklich eine super durchdachte Idee. Die war designt bis in die letzte Saumnaht. (grinst schnippisch)
Es ging dabei um das Totenhemd von vor 1000 Jahren und wie diesem Hemd zur Mode wurde. Zu Anfang war es total simpel und mit der Zeit wurde auch der Tod immer prunkvoller. Und plötzlich war es kein Totenhemd mehr, sondern war richtig Mode. Und eben daraus entstanden auch wieder neue Kleider. Ich habe dann auch eine supertolle Mappe gemacht und die Quintessenz war, dass meine Betreuer meinten: „Der Tod hat in der Mode nichts zu suchen”. Suchen sie sich bitte ein anderes Thema oder sie fallen durch.
MC: Das gibt’s doch nicht. So viele große Designer behandeln den Tod als Vorlage, der Tod ist doch genau wie Liebe oder Hass eines der fesselten thematischen Motive und Verarbeitungspunkte in Kunst und Design. Ich bin sprachlos.
BN: Ich wollte mir partout kein anderes Thema suchen, wie zum Beispiel Künstler XY, wie alle Anderen es dann immer so machen. Ich wollte mich nicht anpassen.
Ich habe den Tod als Thema behalten und habe den Komplex dann sehr modern ungesetzt. Allen Rebellentum zum Trotze.
Der Tod als männlicher Part der Kollektion und das Junge Mädchen eben als weiblicher Part.
MC: Würdest du die Ausbildung weiterempfehlen?
BN: Man muss sich schon sehr sicher sein, was man später machen möchte. Ich war mit 19 Jahren mit Abstand zu jung und ich hatte selbst noch gar keine Erfahrung. Ich kann den Leuten nur raten, die Modedesign studieren oder in eine ähnliche Richtung gehen wollen, erst einmal eine Schneiderlehre zu machen und sich wirklich intensiv mit der Materie auseinanderzusetzen.
MC: Jetzt haben wir soviel über die Hürden deiner Ausbildung gesprochen, war das denn mit 19 dein Traum Modedesigner zu sein. Viele idealisieren ja gerne mal einen Designer und wollen es ihm gleich tun?
BN: Ich bin gar nicht so into fashion. Ich bin eher ein künstlerischer Freigeist, mein Problem war immer, dass ich irgendwie Probleme mit Autoritäten hatte. Und tatsächlich habe ich mir in der Schule überlegt, weil ich gerne Kunst mochte und auch gut konnte, was kann man damit machen?
MC: Fragst du mich das? Äh Künstler!
BN: Aber damit kann man doch in Berlin nicht überleben, oder? Also Straßenkünstler wollte ich nicht werden.
MC: Aber vielleicht Lebenskünstler? (lacht)
BN: Das bin ich schon. (grinst)
MC: Was hat es denn mit dem Satz: „Der Paradiesvogel inmitten der grauen Tauben Berlins“ auf sich? Würdest du das unterschreiben?
BN: Ich kann gar nicht mehr genau erinnern, wer das geschrieben hat, ich glaube das kam sogar von einer Bloggerin. Und das stimmt auch irgendwie. Nicht dass ich jetzt unbedingt bunt sein will, aber zufällig will jedes Berliner Label so minimalistisch sein wie Jil Sander. Das bin ich eben nicht. Ich stehe persönlich auf Grau, Schwarz und Blau. Aber wenn ich Mode mache, will ich nicht das machen was ich schon bin, sondern will etwas ganz Neues machen. Nicht im Sinne, dass ich etwas vollkommen Neues erfinden möchte. Es gibt ja auch schon alles, ich will Dinge einfach aus einer anderen Perspektive beleuchten.
MC: Ich würde dich ja sogar als blumig bezeichnen. Du arbeitest mit viel Paisley, Blüten und wilden Farben.
BN: Das Witzige ist ja, mir hat mal ein Mann erzählt, ich weiß gar nicht mehr aus welchem Zusammenhang, du merkst ich habe es nicht so mit Namen und Einordnungen: naja, auf jeden Fall meinte dieser Mann, wenn du wirklich Spaß an einem Job haben willst, musst du Dinge machen, die du eigentlich gar nicht magst. Und ich hasse Paisley und Blumen. Jetzt siehst du was daraus geworden ist.
MC: Ich liebe diese Einstellung, sollte ich auch mal in mein Leben integrieren. Das macht Dinge vielleicht einfacher.
BN: Und ich hasse Blumen immer noch, obwohl ich soviel damit gemacht habe, die Kunst ist es daraus etwas Neues zu machen, was einem dann gefällt.
MC: Damit bist du ja richtig in einen Trend hinein gesprungen?
BN: Was keine Absicht war. Natürlich bringt das viele nette Nebeneffekte mit sich. (lacht). Hätte ich rein zufällig College-Jacken gehasst und hätte sie neu zusammengebaut, wäre genau das Trend gewesen. Ich finde man kann da nicht so differenzieren. Trend-Nichttrend. Jeder, der Mode macht, entwickelt zwangsläufig einen Trend. Ich freue mich immer, wenn die Sachen gut ankommen und ich aus einer hässlichen Sache etwas Neues machen kann, was mir dann wieder gefällt. Quasi die Hässlichkeit als Inspiration für neue Trends.
MC: Das ist doch eine sehr schöne Schlussbemerkung. Danke Timm für deine ehrlichen Worten und viel Erfolg in der neuen Saison mit (auch meiner) Lieblingsfarbe
//Schlotti
Bilder: Falko Saalfeld