Bilder groß: Achtland Bilder klein: Lala Berlin
Die Modewoche in Berlin ist mal wieder zu Ende gegangen, mit einem der frühsten Termine im Jahr gab Berlin diesmal den Startschuss für die Herbst/Winterkollektionen 2014/15. Kaum hatte man die Feiertage hinter sich gelassen, ließ die Modewoche nicht wirklich Platz zum durchatmen – das Jahr beginnt mit genau 100%. Doch was bleibt hängen nach einer Woche voller Reizüberflutung, Fashion-Overload und Termin-Marathon? Wir haben uns in den unterschiedlichsten Ecken mal umgehört und haben einfach mal Meinungen gesammelt:
Für uns war die Woche recht zwiegespalten: zum einen freut man sich auf Berliner Lieblinge wie Perret Schaad, Lala Berlin und Achtland zum anderen sind viele der gelisteten Designer recht fragwürdig. Berlin präsentiert sich als Modewoche nicht um Trends anzugeben, Berlin produziert Mode, die unkompliziert ist und später getragen werden will und wird. Natürlich verschwinden große Namen aus dem Schedule der Berliner Modewoche, dafür liegt das Hauptaugenmerk aber auf Labels die unbedingt gesehen werden mussten und deren deutsches Standing unbedingt erstrebenswert ist: dazu gehören nun mal Achtland, Perret Schaad und Lala Berlin, die den modischen Kurs für Berlin eindeutig aufrecht erhält und maßgeblich mitgestaltet hat.
Außerdem ist es immer wieder erstaunlich welch‘ tolle Locations Berlin zu bieten hat: überrascht waren wir ja schon über den Bunker, der Dandy Diary als Partyauftakt diente, Achtland setzte mit dem Bärensaal auf ganz großes Kino und bringt französisches Flair in die Woche und Lala Berlin rockt die Stadt einzig und allein mit ihrer Kernmessage: „WERDET WILD UND TUT WAS SCHÖNES“. Und die Mode? Nun sie ist eine Randerscheinung!
Zsuzsanna Toth // Freunde von Freunden
I don’t like to be out of my comfort zone, which is about a half an inch wide. Larry David
Mehr als 2,54 cm sind sie schon, die genähten, ledernen, versetzten comfort zones. Und hübsch auch. Doch wo bleibt die Inspiration, das VORbild nicht das ABBILD?
Die Stadt, die für ihre Schnelligkeit, Power und Extravaganz steht, scheint am Brandenburger Tor seine Grenzen gesetzt zu bekommen. “Das gibt es nur in Berlin” gilt für viele Aspekte der Großstadt, nicht aber für die Mode.
Eine weitere Episode der Berliner Modewoche ist vorbei und auch wenn ich hauptberuflich nicht mehr in der Branche verankert bin, will ich es mir nicht nehmen lassen, bei den Shows von Favoriten und bejubelten Designern in der zweiten oder zehnten Reihe Platz zu nehmen. Erster Eindruck? Aha. Zweite Show? Nett. Dritte Kollektion? Würde ich tragen, klar.
Doch sollte es nicht um etwas anderes gehen? Ausführungen der Midi-Hosen, die bei Präsentationen wie der von Lala Berlin oder Hien Le an der „frowing“ Masse vorbeiklafften, habe ich letzte Saison beim Sample Sale einer schwedischen Kommerzmodekette ergattert. Versetzte Schnitte und Nähte, wie sie bei Liebling Karaleev gezeigt wurden, gab es schon bei, ach ja! Karaleev, zu sehen.
Abgesehen davon feierte Yohji Yamamoto im Geburtsjahr vieler Berliner Designer mit dem gleichen Ansatz große Erfolge. Und wieso? Weil es unkonventionell war. Weil es prägte, zum Nachmachen anregte und die junge Avantgarde monatelang fastete, um diese Kunst in den hauseigenen Schrank einzubetten. Mag ein guter Plan sein, sich an ein Erfolgskonzept anzulehnen, aber ich möchte nicht Yohjis in der frischen, femininen Version, ich möchte zeitgemäße Innovation.
Auch Dauer-Favoriten Perret Schaad konnten die hungrigen Minimalisten zufriedenstellen. Fließende Seidenröcke zu etwas kantigeren Mänteln oder zum yay-piece seit zwei Wintern: dem Rollkragenpullover. Wie immer – Gut. Und genau hier liegt das Problem. Die genannten Designer sind gut, doch werden sie besser?
Ich hab gut reden, denken sich viele die mich kennen. Man findet meinen Hals kaum von Krägen freigerollt, mit wilden Mustern experimentiere ich selten und ja – man könnte meinen, genau ich sollte Luftsprünge machen bei den vorbei-schwebenden Puristen. Und wisst ihr was?
Ich gehe nicht zu der Modewoche, zu der Präsentation von Visionen und den Trends von Winter 2014/15 um mit einem beruhigenden Gefühl aus dem Zelt zu eiern, auch nächstes Jahr noch in der Reihe zu tanzen.
Liebe Berliner – bitte bitte verwirrt mich, verstört mich, verunsichert mich und beweist mir, dass ich umdenken sollte. Dass das Leben zu kurz ist, sich in oversized Cashmerepullis und Seidenkleider „mit dem gewissen Dreh“ zu hüllen. Bringt uns dazu, Soundtracks, Afterpartys und erste Reihen zu vergessen, weil wir uns schleunigst überlegen müssen, wie wir an genau dieses eine Teil kommen, das ihr euch für diese Saison aus dem Yves-Klein-blauen Seidenärmel geschüttelt habt.
Oder – „Werdet wild und macht eben nicht nur schönes.“
Anja Steffen und Berit Müller // The Shopazine
„Vor kurzem sagte Louise Wilson, Dozentin der Master Klasse am Londoner Central Saint Martins, in einem Interview so gut wie kein Designer entwerfe mehr schwarze Kleider, da diese sich schlecht online vermarkten ließen. Dieser Theorie scheinen die Labels, die ihre Kollektionen in dieser Saison in Berlin präsentierten, nicht zu folgen. Isabel de Hillerin, Dawid Tomaszewski, Esther Perbandt, Filippa K & Co setzten teilweise oder komplett auf Back in Black. Dabei mussten wir feststellen, dass unser Begeisterungsbarometer tendentiell eher bei den sanften bis hin zu satten Farbnuancen ausschlug. Malaika Raiss, Vladimir Karaleev, Perret Schaad und Achtland zeigten wunderbar pudrige Nuancen neben satten Rosttönen.
Heiß ersehnt und deshalb jubelnd beklatscht wurden von uns weit schwingende Hosen zu flachen Loafers, wie sie vielerorts über den Laufsteg liefen. Je mehr Weite dem Bein im kommenden Winter zugestanden wird, desto weniger Freiheit bekommt unser Hals. Rollkrägen und Halstücher haben Hochkonjunktur und das finden wir super. Bei Schumacher kam fast kein Look ohne eng anliegende Rippe aus. Hier durfte langes Haar gleich mit unterm Rolli verschwinden. Malaika Raiss, Achtland und Lala Berlin zelebrierten das seidene Halstuch in unterschiedlichster Form.
Weniger Begeisterung können wir der Tatsache abgewinnen, dass Pelze und Felle für eine Reihe von Designern offenbar immer noch zum Standard-Repertoire gehören. Da kann man nur hoffen, dass sich hier irgendwann, neben dem ausgeprägten Sinn für Ästhetik, auch der Verstand einschaltet.“
// Schlotti