Oft werden wir mit den Worten konfrontiert, dass Fashion Weeks im Allgemeinen und im Speziellen,  die in Berlin doch sehr oberflächliche Veranstaltungen sind und dort eigentlich durchweg gefeiert und gefrönt wird. Ein Wahn aus mageren Menschen, Alkohol und viel “Bling-Bling”. Natürlich wird auch während der Berliner Fashion Week viel und vor allem gut gefeiert. Aber eben nicht nur. Zudem haben wir auch allen Grund dazu. In der letzten Woche sahen wir einige anspruchsvolle mit viel Herzblut, Raffinesse und Professionalität entstandene Kollektionen, wie von Augustin Teboul, Malaika Raiss und Perret Schaad. Darüberhinaus zeigten sich Messen, wie die Premium und Panorama sehr durchdacht kuratiert und gut organisiert. Hinter alle dem steckt viel, viel Arbeit, qualitativer Anspruch und vor allem langjähriges Fachwissen. Und all dies darf nach getaner Arbeit auch gefeiert werden.

An diesen Anspruch reiht sich auch der Auftakt in die Fashion Week Berlin ein. Am Montag startete die Woche sehr eloquent mit der ZEIT Magazin Konferenz im me Collectors Room. Und gerade hier konnten wir in herausragenden Vorträgen und Panels einmal wieder die Bestätigung bekommen, dass mehr hinter der Mode steckt als nur ein halbherziges Lächeln.

Die Konferenz beschäftigte sich mit den folgenden Fragen: Was bedeutet Jugend? Was bewegt sie? Und was bedeutet das für die Mode von heute? Wie sieht die neue Generation von Kreativen die Welt? – In den Fragen, wie auch in den Antworten der Redner steckte ein enorm tiefes Hintergrundwissen der Branche, welches über Jahrzehnte gesammelt und sogar bis ins vorletzte Jahrhundert zurückgeht.

Die Begrüßungsworte durch Christoph Amend, Chefredakteur des ZEITmagazins und Dr. Jens Thiemer, Leiter Markenkommunikation Mercedes-Benz Cars waren präzise auf den Punkt und feuerten die Neugier auf die kommenden Vorträge an. Die langjährige Tradition der ZEIT qualitativ hochwertigen Journalismus zu betreiben und den Dingen auf den Grund zu gehen, war deutlich zu spüren. Die ruhige und sympathische Ausstrahlung der ZEIT Mitarbeiter durchströmte den Raum. Aber jetzt mehr zu den einzelnen Vorträgen:

Zu Beginn begeisterte uns das Gespräch zwischen Ijoma Mangold (Leitung Literatur DIE ZEIT) und Prof. Dr. Barbara Vinken. Frau Vinken sprach über Jugendbilder von 1913 bis 2013 und hob hervor, dass wir uns aktuell in der Mode von einem Körper bzw. einer Körperlichkeit angezogen fühlen und leiten lassen, die nichts mehr mit dem Körperbegriff vom Anfang der 1920er zu tun hat und der aufgrund seiner mageren Erscheinung auch eigentlich gar keine wirkliche Körperlichkeit hat. Die Literaturwissenschaftlerin sagte außerdem: “Im bürgerlichen Zeitalter ist Mode weiblich geworden, Männer kommen zum Großteil unscheinbar im Anzug daher. Doch das war nicht immer so. Heute ist der angeblich herrschende Trend, der des Unisex. Doch wenn sich Frauen wie Männer anziehen, ziehen sich dann beide gleich an?” In ihrem Buch “Angezogen – Das Geheimnis der Mode”  erklärt sie uns, warum der Modewandel eben kein Wandel von unvorhersehbaren Launen ist und gibt Antworten auf viele Fragen.

 

Da die Mode ohne die Photographie nicht existieren kann, lauschten wir dem Photographen Serge Leblon, der das Kampagnenbild zur aktuellen Mercedes-Benz Fashion Week shootete. Der gebürtige Belgier erzählte uns, dass er sich über eine “Slow Food” Bewegung in der Photographie durchaus freuen würde – “Slow Photographie”. Maria Exner fragte ihn, was er an der digitalen, im Vergleich zur analogen Photographie kritisiert. Er freute sich sichtlich über die Frage und erklärte: “When you have a shooting with an analog camera, your imagination works at that moment. Because you only have a certain amount of chances to get the picture you imagine in your head. While shooting with a digital camera you always look at the picture directly after you took it. You shoot, you look, you shoot, you look… And than you judge and you want to do better. And you know what happens when we start to do better. There is no concentration, no imagination, no trying hard from the beginning. The best pictures are mostly the ones with mistakes in them.” Die Fotos von Serge Leblon bestechen besonders durch ihre Feinfühligkeit mit der Umgebung. Serge fotografiert auch immer ein Stück weit seine  Umgebung mit. Somit entdecken wir in seinen Bildern neben dem Model charmante weitere Elemente, die mehr Beweglichkeit in das Bild bringen und mit dem Model spielen. Modeshooting vor einer stimmigen Fläche sucht man bei Serge vergebens.

Ein wenig enttäuschend war dagegen das Gespräch zwischen Matthias Kalle (stellv. Chefredakteur, ZEITmagazin) und Karoline Herfurth. Da wir die Schauspielerin sehr mögen und schätzen, gerade wegen ihrer frischen Art zu reden und zu debattieren, war Herr Kalle dieser Dame leider nicht gewachsen und seine Fragen blieben sehr Plattitüden-lastig. Schade. Es ging viel um den privaten Kleidungsstil von Karoline und den Kleidungsstil ihrer Filmrollen. Das gesamte Gespräch wurde zu stark ins Groteske gesteuert und die Fragen wirkten letztlich sehr platt.

Umso erfrischter waren wir vom Panel “Sind Blogs noch junger Modejournalismus?” mit Fabian Hart – Gründer von FabianHart.com und Jakob Haupt – Autor bei DandyDiary.de. Maria Exner zitierte die IMG, dass diese es nicht ertragen können, ihre Veranstaltungen anscheinend nur noch für Blogger zu machen. Da brach es auch Fabian Hart heraus, dass es einfach nicht sein kann, dass alle Blogs über einen Kamm geschoren werden. “Natürlich gibt es völlig platte Selbstdarsteller in der Bloggerszene. Aber wir vergleichen ja auch nicht eine “Lea” mit der “Vouge” im Printbereich. Der Qualitätsanspruch ist ein himmelweiter Unterschied und so ist das eben auch bei den Blogs. Das müsste doch wirklich mal begriffen werden.”

Jakob Haupt ist sowieso sehr enttäuscht von der IMG in Deutschland: “Jedes Unternehmen kann sich im Zelt einkaufen, egal welches, Hauptsache die Kohle fließt“, heiß es von Haupt. Letztlich mache dies den Schauenplan dahingehend kaputt, dass neues und innovatives Designer der Deutschen Jungdesigner gänzlich untergehe.

Es wäre tatsächlich sehr wünschenswert, dass sich hier etwas ändert. Denn die Jungdesigner bekommen nicht die Möglichkeit ihre potentiellen Sponsoren im Zelt adäquat zu nennen und visuell hervorzuheben. Da Sponsoren aber bereit wären, die Summe der Slots zu zahlen, hätten die Jungdesigner eine stärker Unterstützung in ihrem Kooperationspartnern und könnten sich intensiv auf ihre Kollektionen konzentrieren, anstatt in Nebenjobs dafür zu sorgen, an das nötige Geld für eine Präsentation zu kommen. Da beißt sich leider nach wie vor die Katze in den Schwanz. Darüber wurde anschließend im Foyer des me Collectors Room noch intensiv diskutiert.

Die hoch-frequentierte Konferenz fand bereits zum zweiten Mal statt. Und wir freuen uns jetzt schon auf eine weiter Ausgabe mit interessanten Rednern und vor allem Rednerinnen!!!

Das gesamte Programm und detaillierte Informationen zu den Sprechern findet ihr hier im Überblick.

// Sara Viola Gerdes

Bilder: Zeit online, MBFWB