Daniella Lehavi

Tel Aviv als nächste Hipster-Stadt? Ist sie doch schon, höre ich nicht nur von allen Seiten, sondern als Tel Aviv auf meinem mentalen Radar erscheint, war diese Stadt in modischer, kultureller und selbst musikalischer Hinsicht allgegenwärtig. Freunde pilgern in die mit 300 Sonnentage beseelte Stadt am Meer um Urlaub zu machen, die Vogue US produziert ihre Modestrecken in Israel und ich schaue mir einfach mal die Szene aus der Sicht der Modewoche an:

Zeitsprung: eine Woche früher.

Die Woche startet wie in Israel üblich, an einem Sonntag, recht fulminant und mit hohem Besuch: drei Generationen MISSONI und Franca Sozzani hosten die noch so junge Fashion Week in Tel Aviv, die versucht aus dem Nichts zu entstehen und aus Einmaligkeit Routine zu machen. „Wir suchen ständig neue Talente“, antwortet Franca Sozzani und lässt gespannt auf eine Woche hoffen.

Ich wälze bereits schon seit drei Tagen Bücher und Websites, um mir einen Überblick des Schedules machen zu können, aber Fehlanzeige, keiner der Designer ruft in mir einen Wiedererkennungs-Effekt hervor und viele ihrer Seiten sind mir schlicht und ergreifend unverständlich – meine einzige Hilfe – ich frage mich durch Insider, versuche O-Töne zu erhaschen und erhalte die unterschiedlichsten Meinungen. Gut, dann sei doch das Bauchgefühl gefragt und nicht die Meinung der Masse.

Ich sehe in drei Tagen den absoluten Querschnitt einer Szene: angefangen von filigranen, bodenlangen Kleidern mit applizierten Steinen und glamourösem Ausmaß, Street-Wear wie ich sie mit Kopenhagen und Stockholm in Verbindung bringe, junge Wilde, deren Freiheitsliebe sich in Kleidung widerspielgelt – zerrissene Optiken, Transparenzen und konzeptionellen Backgrounds geben sich die Klinke in die Hand mit traditionellen Designs.

„Die Mode in diesem Land kann sich noch alles erlauben, wir haben noch keinen Modezaren und einen abkommandierten Stil“, diese Meinung höre ich oft in diesen drei Tagen. Und sie spiegelt die Stimmung dieser Woche wieder – die Menschen in Israel lieben ihre Mode und die Tatsache endlich eine Plattform gegründet zu haben, in der Ihr Handwerk, ihre Kreativität und Talent letztlich auch einem großen Publikum präsentiert werden kann. So wie die Stadt keine Angst hat, haben es die Designer noch weniger – sie zeigen ihre Visionen und Fantasien – der kommerzielle Gedanke kommt erst später, wenn überhaupt.

Lee Grebenau, Tovale+, Sample

Mir fällt auf, dass viele junge Designer mit den hochwertigsten Materialien arbeiten, experimentieren und außergewöhnliches aufs Parkett bringen – auf die Frage hin, wo ich denn diese Stücke in Europa kaufen kann oder ob ich sie denn online finde, werden verneint. Und hier liegt die Krux! Einkäufer und Presse sind zwar vor Ort, Talent ist ebenso vorhanden, nur fehlt es den Designern an finanziellem Support, Weiterbildungen, Experten und Produktionskapazitäten für eine Kollektion. So kann sich eine Szene nicht selbst entwickelt, der Grundstein ist zwar gelegt, fehlt es aber an jenem genannten Bausteinen, der es schaffen könnte eine der kreativsten Metropolen im Mittleren Osten auf einen modisches Parkett zu hieven. Eine Investition, die Sinn machen würde.

Young Designer Award

Young Designer Award

//Schlotterhose