Anya Ziourova vor der Show von Dior

Ich bin gerade aus Paris zurück und rolle irgendwie mit den Augen. Ich weiß andere wären froh, wenn sie einmal auf die Fashion Week unter dem Eiffelturm fahren könnten, aber ich bin nur noch müde und auch ein wenig zwiegespalten. Eine Woche in Paris ist kein Zuckerschlecken; das heißt für mich nicht in teuren Hotels abzusteigen mit einem Stapel Showeinladungen auf der Suite. Eher das Gegenteil ist der Fall – eine Airbnb Wohnung, Einladungen, die man an einer Hand abzählen kann und Essen aus dem Supermarkt. Nach Paris kommen alle. 10 Tage lang sind Einkäufer, Models, Designer & Blogger geballt in der Stadt – eine Mode-Blase aus allen Nationalitäten.

Julia Hughjoo vor der Show von Dior

Noch vor ein paar Saisons wäre ich mehr als happy gewesen einmal selbst vor die Linse einer der vielen Streetstyle-Fotografen zu stolpern und einfach cool in die Kamera zu zwinkern. Heute sehe ich dieses Thema mit großem Abstand. Wie meine Kollegin Anne von Les Attitudes schon ausführlich berichtet hat, ist der Streetstyle-Zirkus eine ganz eigene Branche – eine gestellte und inszenierte Welt. Schon eine Stunde vor einer großen Show sammeln sich Fotografen, Blogger und Schaulustige vor den Toren einer Showlocation. Man geht auf und ab, überquert telefonierend die Straße und schaut so entnervt es geht, um irgendwie die Aufmerksamkeit eines Fotografen zu erhaschen.

Drückt einer ab, machen alle anderen auch mit.

Und ihr kennt das ja, der Feed auf Instagram ist voll davon, auch alle großen Modemagazine bilden diese Bilder ab, verlinken auf die jeweiligen Blogger und zitieren die getragenen Designer.

Und jeder hat etwas davon – der Blogger bekommt seinen Traffic und mögliche Kooperationen, die Magazine haben ihren Content und die Designer haben Presse und Marketing.

Auch ich lasse ich mich von diesem Bildern inspirieren, weil ich zum einen neue Labels herausfischen kann und durch Streetstyles tolle Stylingvorlagen bekomme.

Screenshot @sylviahughjoo

Streetstyling ist für beide Parteien ein harter Job, das kann ich euch sagen. Man kann niemals sicher sein, ob ein Bild auch in den entsprechenden Medien veröffentlicht wird oder nicht. Gerade habe ich bei der just beendeten Fashion Week in Paris die deutsche Bloggerin Sylvia Hughjoo getroffen. Sylvia hat sich in den letzten Saisons zu einem Liebling der Fotografen gemausert. Sie war in diesem Jahr schon in New York und Mailand und kann auf einige tolle Clippings großer Magazine verweisen. Sie hat mittlerweile den Kontakt zu Fotografen und Designer die sie für die Show vor der Show ausstatten und gerade diese legen großen Wert darauf, dass Sylvia ihre Kleidung trägt.

 

Screenshot @sylviahughjoo

Ein schönes Beispiel ist der deutsche Designer Tim Labenda, er ist im Ausland noch relativ unbekannt und gerade in Paris, um seine Herbst/Winter-Kollektion den Einkäufern zu präsentieren. Tim hat zwar eine eigene Presseagentur, aber Blogger und Designer kennen sich persönlich. Sylvia und ihre Schwester Julia lieben seine Entwürfe und dürfen sich einige Keypieces seiner Kollektion leihen, um damit zum einen eigene Outfitbilder für ihr Blog zu machen, zum anderen um sich da „draußen“ sehen zu lassen. Die Inszenierung funktioniert: Sylvia und Julia werden von einigen Fotografen gespottet und abgelichtet, das Bild der beiden erscheint sogar auf der Vogue Spain Onlineplattform. Der Wunsch gesehen zu werden ist aufgegangen und beide Parteien happy. Die Bilder werden geshart und gepostet und Tim Labenda ist nun einigen Modemenschen mehr ein Begriff.  Ist das Verwerflich?

Ich denke nicht. Alle haben ein Ziel erreicht, dass sich durchaus sehen lassen kann und dass wir als Konsumenten gerne anschauen.

Ich, aus der Perspektive eines Blogger, kann nur sagen: „Hut ab“ denn es ist verdammt noch mal nicht einfach, permanent und auch manchmal in einer eisigen Kälte zu posieren und immer den Druck haben zu müssen, einem Schönheitsideal zu entsprechen und auch modisch gesehen immer den richtigen Riecher zu haben.