Als Yves Saint Laurent im März 1971 in der VOGUE gefragt wurde was er mit seinen Kollektionen bewirken wolle, antwortete er: „Was ich will? Die Menschen schocken und sie zum Nachdenken zwingen!” Es waren nicht einmal zwei Monate zuvor, als Monsieur Saint Laurent seine neue Kollektion in seinem Couture-Haus auf der rue Spontini in Paris launchte; der Schauplatz aller damaligen Fashionshows. Die Presse allerdings zeigte sich wenig begeistert und kritisierte Saint Laurents Kollektion rigoros: Titel wie „Wirklich abscheulich”, „Der Flittchen-Look des Weltkriegs” etc. schleuderten ihm entgegen. Grund dafür war der Vorwurf, dass Saint Laurent sich von der Nazi Besetzung der Deutschen inspirieren lassen habe.
„Der Flittchen-Look des Weltkriegs”
Die Pierre Bergé Foundation des ehemaligen Lebensgefährten von Yves Saint Laurent stellt die damalige Skandal-Kollektion, die auch unter dem Namen “Liberation” bekannt wurde, aus.
Zu sehen bekommt der Besucher knielange Röcke, Schulterpolster, hohe Absätze, schweres, dunkles Make-up der Models und viele laszive Lippen als Print oder Pailletten-Stickerei; manchmal sogar mit einer verruchten Zigarette abgerundet. Viel Schwarz, Rot und intensive, schwere Farben.
Skandal! Die Erstaufführung der Kollektion erregte einen Eklat in der von der Nachkriegszeit traumatisierten Bevölkerung. Eine derart leidenschaftliche und auch aggressive Mode passte nicht in den Zeitgeist des damaligen Modeverständnisses. Das Publikum auf der rue Spontini zeigte sich entsetzt und schreckte nicht davor zurück, seine Aversionen öffentlich zu äußern.
Doch genau diesen Effekt wollte Yves Saint Laurent bewirken. In der Tat ließ sich Saint Laurent von der Eleganz der 40er Jahre und der Besetzungszeit inspirieren.
Saint Laurent wollte das Publikum zum Nachdenken bewegen und verglich sich mit der zeitgenössischen amerikanischen Kunst, die Menschen dazu anregte, sich mit Vergangenem auseinanderzusetzen und ihre Erinnerungen nicht verblassen zu lassen. Die Presse konnte Saint Laurent nicht für diesen Faux-pas vergeben und warf ihm Nähe und Nostalgie zu dieser Ära vor. Der Designer selbst fühlte sich traurig und geschmeichelt zugleich: “Nur Manet’s Olympia rief ähnliche Äußerungen hervor. Wir werden verspottet.” (Interview Claude Berthod, März 1971, ELLE)
Doch die “Liberation”-Kollektion wurde nicht nur aufgrund ihres skandalösen Auftritts bekannt, denn langfristig brach sie vor allem die Mauer zwischen Haute Couture und Ready-to-Wear. Die Maßstäbe der normativ geltenden Eleganz machten überholten Vorstellungen wieder Platz und Yves Saint Laurent stand genau in der Mitte um zwischen diese Ebenen zu vermitteln. Die YSL-Kollektion aus dem Jahr 1971 sprengte die verblassenden Erinnerungen der Geschichte aus dem Rahmen und stellte sie einer neuen, reflektierenden Generation zur Verfügung.
Die YSL-Ausstellung präsentiert dem Besucher nicht nur die Kollektion, sondern auch exklusive Zeichnungen und Entwürfe der französischen Modedesign-Legende.
Die Ausstellung hat gerade eröffnet und wird bis zum 19. Juli in der Pierre Bergé Fondation auf der 3, rue Léonce Reynaud, 75016 Paris zu sehen sein.
Unsere Highlights aus der aktuellen Spring-Kollektion zum Nachshoppen:
//Aileen Marika Hokari